Ein Jahr der Widersprüche

Folge 5 von Tee-OFF ist die erste große Review-Folge zum Thema Wirtschaft und Börse – und sie wird unbequem. Riccardo aus Radebeul und Benedikt (erkältet, aber tapfer am Mikrofon) ziehen Bilanz über ein Jahr voller Widersprüche: Während der DAX Rekorde feiert und Aktien wie Rheinmetall sich verdoppeln, kämpft der deutsche Mittelstand ums Überleben.

Was als entspanntes Jahresrückblicks-Gespräch beginnt, entwickelt sich zu einem der direktesten und ehrlichsten Dialoge dieser Podcast-Reihe. Keine Schönfärberei, keine politische Korrektheit – nur zwei Unternehmer, die aussprechen, was viele denken.


1. Börse 2025: Die Gewinner des Jahres

Rheinmetall, Palantir & DAX auf Allzeithoch

Benedikt steigt direkt ein: „Investieren tu ich schon. Und dieses Jahr war schon sehr erfolgreich.“

Die Highlights aus seinem Portfolio:

Rheinmetall: Von 653€ (Januar) auf über 1.500€ (Dezember) – mehr als Faktor 2
Palantir: Trotz umstrittener Datenschutz-Diskussionen starke Performance
Salzgitter: Von 16€ auf 1.440€ (ebenfalls beeindruckende Entwicklung)
DAX: Rekordhoch bei 22.500 Punkten – trotz konjunktureller Schwäche

Riccardo, selbst kein Börsianer, hört aufmerksam zu: „Ich bin da ein großer Schisshase. Ich tue mich schwer mit Sachen, mit denen ich mich nicht auskenne.“

Das Paradox: Börse vs. Realwirtschaft

Benedikt bringt es auf den Punkt: „Die Börse hat sich sehr gut entwickelt, aber international performen diese Firmen besser als in Deutschland. Wenn wir zur Wirtschaft switchen, merkt man, dass da eher Flaute ist.“

Riccardo ergänzt die entscheidende Nuance: „Das hat mit der Firmengröße zu tun. Jede Maßnahme richtet sich gegen den Mittelstand. Deine Beispiele sind absolute Prescher – bei einem größeren Portfolio mit mittelständischen Unternehmen wäre die Einschätzung eine andere.“


2. Deutsche Wirtschaft: Die harte Realität

Insolvenzen & Auswanderungsgedanken

Riccardo wird ernst: „Die Insolvenzmeldungen betreffen Branchen, die wirklich Kopfzerbrechen bereiten. Bäckereien, Handwerksbetriebe – Firmen, die keine Zeitungsschlagzeile wert sind, aber 90% des Bruttosozialprodukts ausmachen.“

Benedikt bestätigt aus seinem Umfeld: „Viele Gespräche dieses Jahr, wo mich Freunde angerufen haben: ‚Wie läuft’s in Südafrika? Macht das Sinn da hinzugehen?‘ Ich würde sagen, mindestens zweimal mit unterschiedlichen Pärchen, die Kinder haben.“

Die Auswanderungsziele:

  • Südafrika (Benedikts Erfahrungsgebiet)
  • Dubai & Emirate
  • USA („ist gerade raus“)

Riccardos Top 3 der wirtschaftspolitischen Fehler

1. Mindestlohn-Debatte zur Unzeit

„Wenn ich in der jetzigen wirtschaftlichen Situation als Hauptthema Mindestlohn habe, korrespondiert das nicht mit der Situation, in der die Unternehmen stecken.“

Riccardo betont: Es geht nicht um Arbeitgeberinteressen, sondern um Gesamtverantwortung. Die Zahlen sprechen für sich:

  • 1.370 Stunden Arbeitszeit/Jahr in Deutschland
  • 1.900 Stunden in Griechenland
  • Steigende Krankheitstage + Feiertage + soziale Errungenschaften

„Wir müssen als Gesamtgesellschaft innehalten. Unter der Retrospektive der vielen Insolvenzen: Niemand schleppt Millionen aus der Firma. Dann muss ich im Sinne des Gesamtinteresses sagen: Lasst uns mal Luft holen.“

2. Bürokratie & fehlende Lösungen

„Angeblicher Bürokratieabbau – gefühlt wird es immer mehr. Die Themen, die adressiert wurden, sind allesamt nicht gelöst worden.“

3. Digitalisierung ohne Strategie

„Wie Digitalisierung in diesem Land vorangetrieben wird – das ist für mich der dritte Punkt. Auch wenn wir diese Woche sehr positiven Jahresausklang finden konnten.“

Prognose: 0,1 bis 0,3% Wirtschaftswachstum

Riccardo schüttelt den Kopf: „Nach den letzten drei Jahren ist das fast eine Witzveranstaltung. Und es wird meistens nach unten korrigiert. Dann landen wir beim Negativwachstum – im vierten Jahr hintereinander.“


3. Politik & gesellschaftliche Erwartungen

Das Bärbel-Bas-Trauma

Riccardo lässt sich nicht bremsen: „Die Fronten, die oft gemacht werden – mein Lieblingsthema mit Bärbel Bas.“

Benedikt schmunzelt: „Lars Klingbeil hat das ja gerade gestellt, ne? ‚Das ist ein Frauenthema, aber sie hat uns ja gar nicht gemeint.'“

Riccardo: „Das war einer der Zeitpunkte, wo ich jegliches Vertrauen verloren habe.“

Steuererhöhungen aus allen Ecken

„Die einzige Antwort: noch mehr Geld ausgeben. Steuererhöhung aus allen Ecken – möchte ich betonen: AUS ALLEN ECKEN. Man diskutiert nur über die Steuerart, damit man seine Wähler sichert.“

Warum Unternehmen warten

„Viele Unternehmen haben einfach gewartet: Was passiert mit der neuen Regierung? Werden Sachen, die seit Jahren adressiert werden, jetzt angegangen? Offensichtlich ist das Vertrauen weg. Deswegen: Insolvenzen auf der einen Seite, Landesflucht auf der anderen.“


4. E-Auto-Verbot gekippt: Endlich Vernunft?

Riccardos Analyse

„Es geht mir nicht um Technologiefeindlichkeit. Es ging mir um die Verbotskultur, anstatt mit Leistung zu überzeugen. Wenn das so überragend wäre, würde sich keiner mehr einen Verbrenner kaufen. Die Realität sieht anders aus.“

Riccardos Position zur E-Mobilität:

  • „Eines der Säulen“ – nicht die alleinige Lösung
  • Technologischer Vorsprung bei Verbrennern nicht wegwerfen
  • Keine Planlosigkeit bei Energiewende
  • Eine der Grundlagenindustrien nicht einfach „wegschießen“

„Das hatte mit Hirn nichts zu tun. 2026 geht’s neu los – deswegen diese direkte Ansprache.“

Benedikts Wirtschaftsargument

„Kein so schlechtes Zeichen für die deutschen Autobauer. Die Technologie hinter einem E-Auto ist nicht so kompliziert wie beim Verbrenner – das erleichtert internationalen Wettbewerbern den Einstieg. Deutschland verliert seinen technologischen Vorsprung.“


5. K.I. 2025: Von der Wollmilchsau zur Realität

Benedikts Übersättigung

„Ich saß wirklich in ein paar Vorträgen, wo ich gedacht hab: OK, ich kann es jetzt wirklich nicht mehr hören.“

Die Hoffnung: „Ich hoffe, dass sich 2026 ein anderes Thema durchsetzen wird – vielleicht Quantencomputing, vielleicht können wir es runterkochen zur Automatisierung.“

Riccardos Uni-Projekt: K.I. richtig eingesetzt

Ein Beispiel, wie K.I. echte Probleme löst:

Ausgangslage: Kundin versteht nicht, was die Universität mit „digitalem Zwilling“ meint.

Riccardos Erklärung: „Du kriegst Fragen beantwortet, die du nicht selber gestellt hast – bezogen auf Produktionsplanung.“

Das Prinzip:

  • Falsche Frage: „Welche K.I.-Projekte mache ich?“
  • Richtige Frage: „Ich möchte Prozessverbesserung im Einkauf – wie kann K.I. unterstützen?“

„Das ist eine kleine Nuance, wo sich viele fragen: Was soll diese grüne Kackerei? Aber ich glaube, das macht den Unterschied. Wenn wir Technologien einsetzen und nicht Technologie als Thema eines Projekts machen, ist die Ernsthaftigkeit gegeben. Dann kann K.I. wirklich eine Waffe sein, die den Unterschied macht.“

Amazon vs. Microsoft: Machtverteilung

Riccardo berichtet: „Amazon denkt über größere Investition in OpenAI nach – nicht weil sie technologisch nicht mehr von Microsoft überzeugt sind, sondern weil Microsoft schon wieder zu viel Macht anhäuft. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt.“


6. Social Media & Dopamin: Die Rattenfängertricks

Lanz-Sendung mit Sascha Lobo

Riccardo empfiehlt eindringlich: „Nicht bei YouTube Shorts, sondern bei den kompletten Sendungen: Lanz mit Sascha Lobo. Australien verbietet Social Media bis 16 Jahre.“

Die Themen:

  • Dopaminausschüttungen im Gehirn getriggert
  • Ferngesteuert auf dem Sofa
  • K.I.-generierte Inhalte auf YouTube/Social Media

Riccardo: „Das passt zum Thema Glücksspiel – wie die Leute mit Rattenfängertricks bei der Stange gehalten werden.“

Der K.I.-Beziehungstest

Ein skurriles Beispiel aus der Sendung: „Ob eine Partnerschaft funktioniert, werfe ich einfach den WhatsApp-Chatverlauf gegen K.I. und die sagt mir, ob sie eine geeignete Partnerin ist.“

Riccardo lacht: „Ich werd das mal ausprobieren. Wahrscheinlich bin ich im neuen Jahr wieder Single.“

Benedikt kontert: „Wir laden unseren Podcast-Chatverlauf hoch und fragen, ob wir einen wertvollen Podcast geben können.“


7. Die Lösung: Eigenverantwortung & Netzwerke

Riccardos Hoffnungsschimmer

„Ich stelle fest: Menschen werden sich der Eigenverantwortung wieder mehr bewusst. Sie adressieren offener ihre Themen, gehen kritischer mit Situationen um. Die Medienlandschaft lässt wieder kritische Stimmen zu.“

Das Erfolgsrezept

  1. Eigenverantwortung: „Nicht auf die Politik warten, sondern im Kleinen anfangen.“
  2. Netzwerke: „Als Unternehmen fokussieren, Kernkompetenzen stärken, echte Partnerschaften zulassen.“
  3. Durchhaltevermögen: „Partnerschaften brauchen Zeit und kritischen Umgang miteinander.“

Beispiel: Südwestsachsen Masterplan

„5 Landkreise haben sich zusammengetan – nicht jeder kämpft für sich. Länderkreisübergreifend Maßnahmenpläne entwickeln, reflektierend auf regionale Stärken. Nicht mehr um einen einzelnen Landkreis, sondern um eine ganze Region.“

Riccardo begeistert: „Bei verschiedenen Projekten reden wir über Bundesländer hinweg, teilweise sogar europäisch über Ländergrenzen. Das ist die Zukunft.“

Der provokante Weckruf

„Mittelstand hat auch seinen Arsch zu heben. In dieser tollen Zeit musste man nicht in Eigenverantwortung gehen. Man hat seinen Job gemacht, gesehen, dass man für sich das Meiste rauszieht. Das ist vorbei.“


8. Die Projektwoche: Aus Eskalation wird Erfolg

Birdie der Woche (beide)

Riccardo schwärmt: „Hocheskalatives Projekt nach 3 Jahren Kangaroo-Life. Alle Leute an den Tisch gebracht, die für die zukünftige IT-Architektur stehen. Alle zusammen haben im Sinne der Sache, ohne nach hinten zu gucken, an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet.“

Das Erfolgsgeheimnis:

  • Smoke-Test-Technologie zur Versachlichung
  • Alle Stakeholder am Tisch
  • Prozessprobleme besprochen unter Einbeziehung des Kunden
  • Keine Vorhaltungen – nur Lösungssuche

„Das gibt mir Hoffnung: Wenn du auf Augenhöhe in Diskurs gehst und nach Lösungen suchst, wirst du immer gewinnen. Das ist für mich das Projekt, das mir für diese prinzipiellen Themen am meisten Hoffnung gibt.“

Benedikt: „Enge Zusammenarbeit führt zu Erfolg. Das allgemeine Feedback war sehr positiv. Durch entsprechende Medien werden Leute aufmerksam auf die Person und Firma – und bringen eine positive Grundhaltung in Meetings mit.“


9. Ausblick 2026: Vorsichtiger Optimismus

Benedikts Prognose

„Ich seh ein bisschen Licht am Ende des Tunnels für 2026. Gewisse Investitionen und Unterstützungen dauern, bis sie anlaufen. 2026 wird ein bisschen besser als 2025 – vom Wirtschaftswachstum.“

Riccardos Bedingung

„Anders geht es gar nicht, als zu sagen: Es wird ein gutes 2026. Es gibt viele Sachen, die absolut positiv stimmen. Aber wir haben eine Review-Folge – und wir müssen aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen.“


Bunkerschlag der Woche

Benedikt: „Zu viel Gas gegeben, sitze jetzt mit laufender Nase und hab nicht auf mich geachtet. Kriege die volle Rechnung und gehe krank in den Urlaub.“

Riccardo: „Darf ich aussetzen? Ich bin gerade zu euphorisiert!“ (Lacht) „Nein, ich hab immer noch keine Geschenke bekommen… warte, stimmt ja nicht! Ich hab schon ein selbstgebasteltes bekommen.“


Fazit: Unbequem, ehrlich, notwendig

Folge 5 beweist: Tee-OFF ist mehr als ein Business-Podcast. Es geht um gesellschaftliche Verantwortung, unbequeme Wahrheiten und Lösungen, die funktionieren können.

Riccardo: „Wenn wir dort im Kleinen anfangen, Verantwortung zu übernehmen, Netzwerke zulassen, echte Partnerschaften eingehen – das ist der Weg.“

Benedikt: „Das vereinte Europa kann noch sehr viel mehr schaffen, als wo wir jetzt sind.“

2026 wird anders. Weil es anders werden muss.


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Tee-OFF Folge 9: Review 2025 Teil 2: Börse vs. Realität